Zu intelligent: Keine amtliche Verteidigung für Studenten

Text: Auszug aus einem Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürlich bezüglich keine Gewährung von amtlicher Verteidigung wegen überdurchschnittlicher Intelligenz

Beschuldigte in Strafverfahren in der Schweiz haben Anspruch auf einen amtlichen Verteidiger, sofern sie nicht über die erforderlichen Mittel für einen Rechtsanwalt verfügen und die Strafverteidigung zur Wahrung ihrer Interessen geboten ist – beispielsweise, weil «der Straffall in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht Schwierigkeiten bietet, denen die beschuldigte Person allein nicht gewachsen wäre.» (Art. 132 StPO) Ein amtlicher Verteidiger wird staatlich entschädigt, so dass die Strafverteidigung grundsätzlich auch bei Mittellosigkeit gewährleistet bleibt.

Die Hürden für die Gewährung der amtlichen Verteidigung sind allerdings hoch, unter anderem kann überdurchschnittliche Intelligenz eine solche Hürde darstellen, wie ein kantonales Obergericht kürzlich in einem Fall von Computerkriminalität gegen einen studentischen Beschuldigten beschlossen hat (Beschluss nicht öffentlich):

«[…] Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer als Student […] als überdurchschnittlich intelligent zu betrachten ist. Ein Fall, welcher in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht Schwierigkeiten bietet, und welchem der Beschwerdeführer nicht gewachsen ist, ist bei dieser Sachlage in Übereinstimmung mit der Oberstaatsanwaltschaft […] zu verneinen.»

Der Beschuldigte ist Student an einer Fachhochschule und darf damit sicherlich als intelligent, vielleicht auch als überdurchschnittlich intelligent gelten. Aber diese Intelligenz hilft in einem Strafverfahren, das für einen Beschuldigten in jeder Hinsicht sehr belastend sein kann, leider nicht. Anwaltskollege und Strafverteidiger Konrad Jeker schreibt deshalb zu Recht:

«[A]llerdings zu sagen, dass ich nach 20 Jahren Praxis noch keinen Fall gesehen habe, der keine solche Schwierigkeiten geboten hätte. Man muss sie freilich sehen.»

Aufgrund der Schwierigkeiten, die jedes Strafverfahren bietet, sollte auch Beschuldigten, die als intelligent oder gar überdurchschnittlich intelligent gelten, bei Mittellosigkeit ein amtlicher Verteidiger gewährt werden.

2 Kommentare

  1. Solche Urteile kommen eh nur in einer Bananenrepublik zu Stande. Viel verächtlicher finde ich jedoch, dass gewisse Pflichtmandats-Träger ihren Job nicht nach bestem Wissen, sondern nach der Methode kurz-teuer-Hauptsache-die-Kasse-Stimmt erledigen.

    Aber, das unser Staat, mit jenen, die schon in der Mühle stecken, nicht gerade zimperlich umgehen, und die Rechte nur auf dem Papier existent sind, ist ja leider nicht wirklich was neues. Es wird langsam Zeit, das man auch hier auf Millionen-Schadens-Ersatz und zwar erfolgsversprechend, klagen kann!

    1. @Sandra-Lia Infanger:

      Rechtsanwälte, die als amtliche Verteidiger tätig sind, werden nur teilweise entschädigt und das auch noch äusserst bescheiden – ein Vorgehen «Hauptsache, die Kasse stimmt» ist deshalb kaum vorstellbar.

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