Fremdwort «Open Data» beim Schweizer Parlament

Im Schweizer Parlament findet momentan die Frühlingssession von Nationalrat und Ständerat statt. Die Parlamentsdienste begleiten die Session mit einem umfassenden und immer sehr aktuell gehaltenen Online-Informationsangebot in mehreren Sprachen, beispielsweise zu den Abstimmungen im Nationalrat. Das Portal «politnetz.ch» beispielsweise nutzt dieses Informationsangebot um die Ergebnisse von ausgewählten Abstimmungen anschaulich zu visualisieren (siehe Beispiel oben rechts).

Leider werden die Abstimmungsergebnisse nicht im eigentlichen Sinn von «Open Data» (oder «Open Government Data») direkt in maschinenlesbarer Form veröffentlicht, sondern lediglich als einzelne PDF-Dateien zur Verfügung gestellt (PDF zu obigem Beispiel). «politnetz.ch» muss deshalb die Ergebnisse in PDF-Form parsen um sie visualisieren zu können.

Vorletzte Woche hatte ich passend dazu die Gelegenheit, anlässlich einer Veranstaltung der Parlamentsdienste in Bern nach «Open Data» beim Schweizer Parlament zu fragen:

Meine Frage richtete sich an zwei Mitglieder der Geschäftsleitung des Schweizer Parlaments, einerseits Generalsekretär Christoph Lanz und andererseits Informationsbeauftragter Mark Stucki. Für mich sehr überraschend wussten beide den Begriff «Open Data» nicht zu deuten – ihre Reaktionen liessen darauf schliessen, dass sie den Begriff überhaupt nicht einordnen konnten. Ausdrücklich auf direkt maschinenlesbare Daten angesprochen, zeigten sie im Gegenteil Unverständnis und meinten – wohl tatsächlich in Unkenntnis von «Open Data» –, damit würden die Parlamentsdienste anderen die Arbeit abnehmen, beispielsweise den anscheinend zahlreich beim Parlament anfragenden Studenten … dabei könnten solche und andere Fragen doch im Gegenteil schlicht mit dem Hinweis auf Daten, die direkt genutzt werden können, beantwortet werden.

Meine Überraschung resultierte auch daher, dass «Open Data» im Parlament durchaus ein Thema ist. So setzt sich insbesondere die Parlamentarische Gruppe «Digitale Nachhaltigkeit» auch für «Open Government Data» ein. Parlamentarier aus allen Parteien bekennen sich zu «Open Government Data». Nun müssen diese Parlamentarier bloss noch ihre eigenen Parlamentsdienste über «Open Data» aufklären, beispielsweise mit einem gezielten Hinweis auf das bestehende Manifest «Open Government Data für die Schweiz» (PDF).

Kurioserweise findet sich auf der Website des Schweizer Parlamentes bereits eine «Open Data»-Seite. Leider befasst sich diese ausschliesslich mit den zahlreichen Restriktionen, die für die Nutzung von parlamentarischen Daten gelten sollen … auch diesbezüglich zeigt sich das bisherige Unverständnis der Parlamentsdienste für «Government Open Data».

8 Kommentare

  1. Das finde ich unfassbar. Wer versteckt da was vor wem? Es ist noch unverständlicher wenn man bedenkt, dass die Daten ja öffentlich zugänglich sind, einfach in unbrauchbarer Form. Das kann nur einen Grund haben: Arbeitsbeschaffung!

    Nur stets weiter fragen Martin, steter Tropfen höhlt den Stein. Fragen darf man ja immer. Die Herren Lanz und Stucki haben nach dem Anlass bestimmt «Open Data» nachgeschaut – wahrscheinlich auf Google und Wikipedia…

    1. @Sandro Gisler:

      Ich würde mich freuen, wenn die beiden Herren inzwischen wüssten, was «Open Data» beziehungsweise «Opern Government Data» bedeutet. Die Grundlagen dafür wären bei den Parlamentsdiensten eigentlich vorhanden, die Daten müssten bloss noch in entsprechender Form veröffentlicht werden.

  2. Der Blogeintrag ist leider nicht korrekt:

    1.) Schon lange vor der Open Data Bewegung hatten die Parlamentsdienste die Ideen dieser Initiative aufgegriffen und in einem ersten Schritt umgesetzt.
    Seit der Wintersession 2007 (!) liegen die Daten der Abstimmungsresultate im Nationalrat in einem maschinenlesbaren Format (xml) hier http://www.parlament.ch/d/wahlen-abstimmungen/abstimmungen-im-parlament/Seiten/abstimmung-nr-alle.aspx zum Download bereit. Und seit Frühjahr 2011 sind die wichtigsten Daten der parlamentarischen Tätigkeiten über Webservices unter der Adresse http://ws.parlament.ch als xml-File für jedermann frei zugänglich und weiter verwertbar. Eine Gebrauchsanleitung dazu ist auf folgender Seite – ebenfalls seit einem Jahr – aufgeschaltet: http://www.parlament.ch/d/dokumentation/webservices-opendata/Seiten/default.aspx

    2.) Auch nach intesiver Konsultation meiner Agenda bleibt schleierhaft was vorletzte Woche seitens der Parlamentsdienste für ein Anlass durchgeführt wurde, noch wäre mir die mutmassliche Frage, noch der Fragesteller bekannt…

    1. @Mark Stucki:

      Vielen Dank für Ihre Rückmeldung mit Ihren Hinweisen.

      Zu Punkt 1: Ihre Kommunikation bezüglich «Open Data» ist allenfalls nicht wirkungsvoll genug. «politnetz.ch» beispielsweise hätte vermutlich keine eigene Software zum Parsen der PDFs mit den Abstimmungsergebnissen entwickelt, wenn einfachere Möglichkeiten bestünden und bekannt wären.

      Die «Open Data»-Seite auf parlament.ch betrifft wie erwähnt vor allem Restriktionen im Umgang mit den parlamentarischen Daten. Dito die «Disclaimer»-Seite. Beide Seiten werfen die Frage auf, ob eine Nutzung der parlamentarischen Daten – unabhängig von der Form der Veröffentlichung –, überhaupt erwünscht sowie rechtlich möglich ist.

      Zu Punkt 2: Habe ich mich allenfalls in Ihrer Person geirrt? Hat vielleicht jemand anders vom Informationsdienst Christoph Lanz begleitet?

      Christoph Lanz war in jedem Fall vor Ort und wirkte bezüglich «Open Data» ratlos. Die «Open Data»-Angebote, die Sie erwähnten, waren Christoph Lanz offensichtlich (noch?) nicht bekannt.

      1. Ich stimme mit Martin überein. Auch ich habe von diesen XML Files nichts gewusst, die Sichtbarkeit müsste umbedingt irgendwie erhöht werden.

        Auch sind in diesen XML Files zB nur die Abstimmungen drin, nicht aber der Text um den es in der Abstimmung geht oder die Einreicher und Mitzeichner der Motion. Oder habe ich da was übersehen? Für http://gesagt-im-parlament.ch/ parsen wir die normale Website um die Motions-Texte zu erhalten, zusätzlich holen wir uns Daten von http://ws.parlament.ch/, wobei diese unvollständig sind – auf der Website werden mehr Daten in den Personenprofilen angezeigt als vom Webservice erhältlich sind.

        Meiner Meinung nach wäre der wichtigste nächste Schritt in der Schweizer Open Data «Bewegung» dass der Bund ein zentrales Register für solche Daten-Schnittstellen erstellt und eine einheitliche Lizenz für Bund, Kantone und Open Government Data generell erarbeitet, wie dies in England gemacht wurde.

  3. Leider ist es so, dass das Parlament zwar maschinenlesbare XML-Dateien anbietet, diese aber heruntergeladen und von Hand weiterverarbeitet werden müssen. Damit die Daten automatisch ausgelesen werden können, braucht es eine entsprechende Schnittstelle. Diese fehlt bisher.

    Dass die Kommunikation im Bezug auf «Open Data» intensiviert werden könnte, sehe ich auch so. Um Hürden abzubauen, stellen wir (gemeint ist Politnetz) uns – gern auch zusammen mit den Parlamentsdiensten – zur Verfügung.

  4. Lieber Martin

    Erstmals danke für dein Votum für Open Data! Ich stimme absolut mit dir überein, dass die (eher noch seltenen) Open Data Initiativen der Schweizer Verwaltung besser bekannt gemacht werden sollten. Das beste Vehikel ist der Verein Opendata.ch (http://opendata.ch), der seit Januar 2012 die Förderung von Open Government Data in der Schweiz verfolgt. Gerne lade ich dich ein, dich bei uns zu engagieren und deine Ideen und dein Mitwirken einzubringen, die Verwaltung bei der Umsetzung von Open Data Aktivitäten zu unterstützen:

    http://opendata.ch/anmeldung/

    Herzliche Grüsse,

    Matthias Stürmer
    Vorstandsmitglied Opendata.ch
    Geschäftsleiter Parlamentarische Gruppe Digitale Nachhaltigkeit

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