Bank Coop: Bankgeheimnisverletzung ohne Strafbarkeit

Anfang Januar 2014 erhielten mehrere 10’000 Kundinnen und Kunden der Bank Coop die vertraulichen Kontoauszüge und andere Bankunterlagen von anderen Bank Coop-Kunden. Die Bankunterlagen aus dem Fehlversand erlaubten einen umfassenden Einblick in das Privatleben und enthielten teilweise intime Einzelheiten.

Nach Angaben von Bank Coop ging diese beispiellose Verletzung der finanziellen Privatsphäre auf eine «Verkettung ungünstiger Umstände und ungenügende Kontrollen» zurück.

Fahrlässige Bankgeheimnisverletzung?

Mehrere Kundinnen und Kunden der Bank Coop erhoben Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt. In der Folge prüfte diese, ob der Straftatbestand von Art. 47 Abs. 2 BankG – fahrlässige Verletzung des Bankkundengeheimnisses – erfüllt sei.

Etwas mehr als ein Jahr später gelangte die zuständige Staatsanwältin nun zum überraschenden Ergebnis, dass dieser «Straftatbestand eindeutig nicht erfüllt» sei. Sie erliess deshalb eine Nichtanhandnahmeverfügung, das heisst, es wurde keine Strafuntersuchung gegen Bank Coop eröffnet.

«Fehlende Kontrollen» und «organisatorische Probleme»

Im polizeilichen Ermittlungsverfahren wurden «fehlende Kontrollen» und «verschiedene organisatorische Probleme» aufgedeckt. Als Gründe wurden «unsorgfältige Vorgehensweisen von einzelnen Mitarbeitenden» und «fehlende organisatorische, technische und/oder finanzielle Ressourcen» bei Bank Coop und ihrer Partnerin Swiss Post Solutions (SPS) – einer Tochtergesellschaft der Schweizerischen Post – genannt:

  • Falsche Steuerungsinformationen wurden durch eine Kontrolle im Vier-Augen-Prinzip nicht erkannt;
  • eine Projektleitung testete lediglich den «elektronischen Ausdruck im PDF-Programm» und sah sich danach nicht mehr als zuständig;
  • gemäss internen Weisungen vorgeschriebene Verarbeitungstests wurden nicht durchgeführt, weil sich dafür niemand bei Bank Coop als verantwortlich und zuständig erachtete;
  • ein Verarbeitungstest, der dann doch noch erfolgte, wurde lediglich mit A-Post-Sendungen und nicht mit den betroffenen B-Post-Sendungen durchgeführt;
  • beim eigentlichen Versand zählten die Druckmaschinen zwar, dass mehr Sendungen verpackt wurden als eigentlich in Auftrag gegeben worden waren, doch fand dieser Umstand keine Aufmerksamkeit.

Und weiter:

  • Die Projektleitung IT bei Bank Coop war Ende Dezember 2013 immer noch vakant, nachdem der Stelleninhaber im August 2013 gekündigt hatte;
  • die Projektleitung Marketing erfüllte nicht das «Anforderungsprofil einer Projektleitung gemäss bankinternen Weisungen», unter anderem mangels entsprechender Ausbildung;
  • das zuständige Steering Commitee hielt keine einzige Sitzung ab und die Geschäftsleitung nahm das Projekt nie formell ab.

Zu viele Köche verderben die strafrechtliche Verantwortlichkeit

Gemäss der Nichtanhandnahmeverfügung der zuständigen Staatsanwältin lag eine Straftat vor, die jedoch keiner bestimmten Person zugeordnet werden konnte:

«[…] Es bedurfte jedoch des Zusammenspiels all dieser einzelnen Schritte, welche durch verschiedene Mitarbeitende in verschiedenen Funktionen begangen bzw. unterlassen wurden, um schlussendlich die Jahresendauszüge falsch zuzustellen. Es war keinem dieser Mitarbeitenden bewusst, dass durch den von ihnen zu erledigenden Arbeitsschritt schlussendlich die Bankauszüge falsch zugestellt werden würden. Es kann demzufolge weder einem der involvierten Mitarbeitenden noch den Mitgliedern der Geschäftsleitung der Vorwurf gemacht werden, dass aufgrund ihrer Unachtsamkeit die Jahresendauszüge falsch zugestellt und somit das Bankkundengeheimnis verletzt wurde. Dies würde bedingen, dass die Fehlzustellung für den einzelnen Mitarbeitenden zum Zeitpunkt der Erledigung des Arbeitsschrittes bereits voraussehbar gewesen wäre.»

Bei Verbrechen und Vergehen in Unternehmen, die keinen bestimmten natürlichen Personen zugeordnet werden können, kann das betreffende Unternehmen bestraft werden (Art. 102 Abs. 1 StGB). Eine fahrlässige Bankgeheimnisverletzung, selbst in mehreren 10’000 Fällen, gilt aber lediglich als Übertretung, da als Strafe eine Busse bis zu 250’000 Franken vorgesehen ist Art. 103 StGB. Bank Coop kann deshalb nicht wegen einer fahrlässigen Bankgeheimnisverletzung bestraft werden.

Schweizer Banken ohne Bankgeheimnis und Vertrauen

Schweizer Banken, die offensichtlich selbst für eine Bankgeheimnisverletzung, die mehrere 10’000 Kundinnen und Kunden betrifft, keiner strafrechtlichen Verantwortung unterliegen, kann man aus meiner Sicht nicht mehr vertrauen. Das Bankkundengeheimnis, durch Banken und Politik im Inland längst unter Druck, erweist sich auch in rechtlicher Hinsicht faktisch als toter Buchstabe.

Die zuständige Basler Staatsanwältin hat geradezu eine Anleitung geliefert, wie strafrechtliche Verantwortlichkeit vernebelt werden kann:

Bei Banken und anderen Unternehmen passieren haarsträubende Fehler, die man selbstverständlich bedauert. Aber aufgrund einer «Verkettung ungünstiger Umstände» lassen sich keine einzelnen strafrechtlich Verantwortlichen ermitteln und die Banken selbst können nicht bestraft werden. Unter anderen Umständen hätte die kantonale Staatsanwaltschaft aber sicherlich ein Strafverfahren gegen Bank Coop als Tochtergesellschaft der staatlichen Basler Kantonalbank (BKB) eröffnet und mit der notwendigen Unabhängigkeit geführt.

Bank Coop setzte und setzt bislang erfolgreich darauf, den Fehlversand aussitzen zu können. Ob Geschädigte das finanzielle Risiko auf sich nehmen und Beschwerde gegen die Nichtanhandnahmeverfügung erheben, ist noch unklar. Bank Coop entschuldigte sich bei den betroffenen Kundinnen und Kunden für den Fehlversand, mehr aber auch nicht – «Fair Banking» hin oder her. So betraf beispielsweise eine 10 Franken-Gutschein-Aktion (Screenshot), die in den Medien als «kleine Entschädigung» für den Fehlversand bezeichnet wurde, alle Kundinnen und Kunden der Bank Coop und nicht nur jene, die von der Bankgeheimnisverletzung direkt betroffen waren.

Fazit: Chancen für FinTech-Unternehmen in der Schweiz

Finanzielle Privatsphäre und Vertrauen galten einst als unverzichtbare Grundlage für den Erfolg der Banken in der Schweiz. Vielen Banken kann man offensichtlich nicht mehr vertrauen. Im letzten Jahr wurde beispielsweise der damalige Bank Coop-Geschäftsführer wegen Kursmanipulationen mit einem dreijährigen Berufsverbot belegt.

Dieser Niedergang von (noch) etablierten Banken ist zwar bedauerlich, bedeutet aber auch Chancen für die neuen FinTech-Unternehmen in der Schweiz … ein Beispiel dafür ist True Wealth, das in meiner Wahrnehmung schon auf den ersten Blick wesentlich mehr Vertrauen weckt als «Finance 1.0»-Unternehmen wie Bank Coop.

Offenlegung: Steiger Legal vertrat eine betroffene Person bei rechtlichen Schritten gegen Bank Coop in dieser Angelegenheit, auch in strafrechtlicher Hinsicht.

Bild: Flickr / William Warby, «Natwest Piggy Banks», CC BY 2.0 (generisch)-Lizenz.

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