Facebook: Rassistisch, unanständig, aber nicht strafbar

Auszug: Nichtanhandnahmeverfügung bezüglich Beschimpfung und Rassendiskriminierung auf Facebook

In einer Diskussion auf Facebook wurde Nutzer A. von Nutzer H. als «Idiot» und «Pussy» beschimpft. Ausserdem schrieb der mutmasslich in Deutschland wohnende H., der Koran sei eine kriminelle Ideologie, die sich nicht im geringsten von Hitlers «Mein Kampf» unterscheide. Hintergrund bildete der inzwischen berühmt-berüchtigten Auftritt von Satiriker Andreas Thiel in der Talkshow «Schawinski» (Kurzversion).

A. stellte in der Folge Strafanzeige wegen Rassendiskriminierung (Art. 261bis StGB) und Strafantrag wegen Ehrverletzung (Art. 177 ff. StGB). Die angerufene kantonale Staatsanwaltschaft gelangte zum Ergebnis, dass weder eine strafbare Ehrverletzung noch strafbare Rassendiskriminierung vorliege.

In der Folge erliess die Staatsanwaltschaft eine Nichtanhandnahmeverfügung, das heisst sie eröffnete keine Strafuntersuchung. Offen gelassen wurde die Frage, ob die angerufene Staatsanwaltschaft in der Schweiz überhaupt zuständig gewesen wäre. Im Übrigen könne sich A. auf dem Zivilweg (Art. 28 ff.) auf eigenes Kostenrisiko zur Wehr setzen.

Staatsanwaltschaft: Keine strafbare Beschimpfung

… weil der Beschuldigte mit der «Betitelung des Anzeigeerstatters als ‹Pussy› (ordinäres Synonym für Vagina, Katze oder Feigling) bzw. als Idioten […] zwar die Anstandsregeln verletzt» habe, aber keine strafbare Beschimpfung vorliege. Einerseits hätten sich die Beteiligten überhaupt nicht gekannt, so dass nicht davon auszugehen sei, dass der beschuldigte H. damit A. «als charakterlich einwandfreien Menschen in Frage stellen wollte.» Andererseits sei die «Wortwahl ungeeignet, einen durchschnittlich empfindlichen Menschen in seinem Ehrgefühl derart zu verletzen, dass sich eine strafrechtliche Ahndung» aufdränge oder rechtfertige.

Staatsanwaltschaft: Keine strafbare Rassendiskriminierung

… weil H. mit seiner «Aussage, der Koran sei eine kriminelle Ideologie und mit Hitlers Buch ‹Mein Kampf› gleichzusetzen», keine «Person oder Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie oder Religion herabgesetzt oder verleumdet» habe. Der Koran sei «die Heilige Schrift des Islams und somit kein taugliches Schutzobjekt.»

Fazit: Fehlende Verhältnismässigkeit?

Die Begründungen der Staatsanwaltschaft werfen einige Fragen auf. «Idiot» könnte durchaus als Beschimpfung bestraft werden, auch wenn es sich im strafrechtlichen Gesamtzusammenhang um ein Bagatelldelikt handelt. Die Gleichsetzung von Koran und «Mein Kampf» könnte man ohne weiteres derart verstehen, dass sie auch gegen Muslime gerichtet war.

Für eine Bestrafung hätte der Beschuldigte allerdings erst ermittelt werden müssen, was voraussichtlich aufwendig gewesen wäre. Aus dem knapp gehaltenen Facebook-Profil von H. liessen sich keine zuverlässigen Angaben zur Identität ableiten und der verwendete Name – allenfalls sowieso ein Pseudonym –, gehört gemäss einer Google-Suche mehreren Personen.

In der Folge hätte die Staatsanwaltschaft versuchen müssen, Nutzerdaten rechtshilfeweise bei Facebook zu beschaffen. Und sollte H. wirklich in Deutschland wohnen, hätten die damit verbundenen Ermittlungen zu weiterem Aufwand geführt. Insofern ist zu vermuten, dass die Staatsanwaltschaft letztlich aus Gründen der fehlenden Verhältnismässigkeit die erwähnte Nichtanhandnahmeverfügung erliess.

Für Staatsanwaltschaften gilt zwar der Grundsatz, dass sie im Zweifel eine Strafuntersuchung führen müssen («In dubio pro duriore»), aber gerade bei Strafanträgen und Strafanzeigen von Laien wird oftmals eine Nichtanhandnahmeverfügung erlassen. Nutzer A. verzichtete darauf, Beschwerde gegen die Nichtanhandnahmeverfügung zu führen.

Wenig hilfreich war allerdings der Hinweis der Staatsanwaltschaft, Nutzer A. könne sich auf dem Zivilweg zur Wehr setzen. In der Schweiz ist es nicht möglich, vor einem Zivilgericht gegen Unbekannt zu klagen.

5 Kommentare

  1. Wieso hat Nutzer A. den Fall nicht weiter gezogen? Die Argumentation bezüglich der Beschimpfung als «Idiot» ist haarsträubend weil falsch. Das Schweizer Bundesgericht hat ja bereits jemanden schuldig gesprochen, weil er einen anderen als Klugscheisser bezeichnet hat.

    Eine Rassendiskriminierung bloss wegen Kritik am Koran bzw. einem Vergleich des Korans mit einem anderen Buch, sehe ich hingegen nicht. Egal um welches andere Buch es sich dabei handelt. Deshalb handelt es sich auch nicht um ein Offizialdelikt sondern lediglich um ein Antragsdelikt wegen Ehrverletzung und Beschimpfung.

    Notabene:
    In St. Gallen erlässt die Staatsanwaltschaft ohne ermittelt zu haben selbst bei Offizialdelikten Nichtanhandnahmeverfügungen. Dies obwohl sie bei Offizialdelikten von Amtes wegen ermitteln müsste. Das St. Galler Kantonsgericht stützt diese gesetzwidrige Praxis.

  2. Hat der Staatsanwaltschaft in diesem Fall korrekt gehandlet? War der Anzeiger vom Staatsanwaltschaft unfair abgewiesen? Hat der STA gesetzkonform gehandlet?

    1. @William B.:

      Ob die Staatsanwaltschaft (nicht) rechtmässig gehandelt hat, müsste gerichtlich überprüft werden. Da der Strafantragsteller keine Beschwerde gegen die Nichtanhandnahmeverfügung erhob, ist davon auszugehen, dass die Staatsanwaltschaft rechtmässig handelte.

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