Chancen und Risiken für Rechtsanwälte in der Cloud

Foto: Graslandschaft vor blauem Himmel mit weissen Wolken

Für Rechtsanwälte, die effiziente und kompetente rechtliche Unterstützung anbieten möchten, führt kein Weg an moderner Informationstechnologie (IT) vorbei. Cloud-Computing beginnt – trotz möglichen Risiken – als moderne IT-Alternative auch bei Rechtsanwälten Fuss zu fassen.

Bei traditioneller IT arbeiten Nutzer mit einem Computer in ihrem Büro und speichern darauf ihre Daten. Auf einem zentralen Server vor Ort werden allenfalls gemeinsame Daten abgelegt. Anwendungen werden gegen Vorauszahlung mit einem bestimmten Funktionsumfang lizenziert. Die IT muss selbst gewartet werden. Die Software ist meist sichtbar in die Jahre gekommen und ihre komplizierte Nutzung muss geschult werden. Eine komfortable Nutzung ausserhalb des Büros – im «Home Office», auf Reisen oder auf dem Smartphone – ist nicht ohne weiteres möglich.

Alternative «Cloud-Computing»

Aus den USA kommend hat sich Cloud-Computing als Alternative zu traditioneller IT etabliert. Die eigentliche IT-Infrastruktur befindet sich für die Nutzer unsichtbar im Internet, das heisst abstrahiert in der «Wolke». Für Rechtsanwälte steht Software as a Service (SaaS) – vollständige Software bei Dritt-Anbietern in der Cloud – im Vordergrund. Für die Nutzung genügen Internet-Verbindung und Browser. Daten werden in Datencentern und in verschiedenen Ländern abgelegt sowie mehrfach gesichert. Im Abonnement wird für die tatsächliche laufende Nutzung bezahlt.

Ein Drittel der Rechtsanwälte in den USA nutzt inzwischen Cloud-Computing. Gängige Standard-Angebote zum Ablegen und Austauschen von Daten dominieren. Professionelle Angebote nutzen rund 20 Prozent der amerikanischen Rechtsanwälte in der Cloud. Clio und Rocket Matter als führende Anbieter bieten vollständige Kanzleisoftware an. Neben traditionellen Funktionen wie Dokumentenverwaltung oder Zeiterfassung für Rechtsanwälte bestehen auch Funktionen für Mandanten: Sie erhalten direkten Zugriff auf ihr Dossier und Einsicht in den laufenden Honoraraufwand oder können Rechnungen online bezahlen.

Chancen und Risiken

Rechtsanwälten bietet die Cloud Chancen, denn sie ermöglicht einfachen Zugang zu innovativer Software, die ständig weiterentwickelt wird. Der Zugriff ist weltweit mit allen gängigen Systemen jederzeit per Internet möglich und die Verfügbarkeit sehr hoch. Die Wartung entfällt und es besteht Kostenkontrolle bei geringen Investitionen und jederzeitiger Erweiterbarkeit. Rechtsanwälte können die Cloud angepasst an ihre finanziellen Möglichkeiten und ihre individuellen Bedürfnisse nutzen.

Cloud-Computing birgt aber auch sachliche Risiken, insbesondere bezüglich Schutz und Sicherheit der übertragenen und abgelegten Daten sowie der Abhängigkeit von Cloud-Anbietern. Ein Rechtsanwalt kann seine Daten nicht selbst schützen, sondern muss den Anbietern vertrauen. Anbieter haben grundsätzlich Zugriff auf alle Daten ihrer Nutzer, sind häufig im Ausland beheimatet und unterliegen fremdem Recht. In der Praxis manifestieren sich diese möglichen Risiken aber erfreulicherweise nicht.

Datenschutz und -sicherheit werden in der Cloud durch zentralisierte Sicherheitsmassnahmen in aufwendig geschützten Datencentern von erfahrenen Anbietern mit einer grossen Zahl von zahlenden Nutzern gewährleistet. Die Risiken in der Cloud sind nüchtern betrachtet vielfach geringer als bei traditioneller IT.

Aufgrund der Enthüllungen von Whistleblower Edward Snowden wird Überwachung als weiteres Risiko diskutiert. Eine Beschränkung der Cloud-Nutzung auf die Schweiz oder Abstand von der Cloud kann solche Überwachung nicht verhindern: Die amerikanische NSA überwacht auch in der Schweiz, teilweise sogar in partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit dem Nachrichtendienst des Bundes, der keiner wirksamen Kontrolle unterliegt. Bei traditioneller IT verfügen die NSA und andere staatlicher Schnüffler längst über Hintertüren. Ausserdem unterliegt die gesamte Kommunikation in der Schweiz der Vorratsdatenspeicherung und der schweizerische Überwachungsstaat soll weiter ausgebaut werden.

Rechtliches

In den USA existieren zahlreiche Stellungnahmen von Behörden und Verbänden. Rechtsanwälte dürfen die Cloud nutzen, müssen aber angemessene Massnahmen gegen den Zugriff durch unberechtigte Dritte ergreifen, ohne dass aber grundsätzlich besondere Sicherheitsvorkehrungen notwendig sind. Sie müssen insbesondere die Anbieter sorgfältig auswählen. In Europa hat der Rechtsanwaltsdachverband CCBE allgemein gehaltene Empfehlungen (PDF) erlassen und bestätigt, dass Cloud-Computing trotz möglichen Risiken durch europäische Rechtsanwälte genutzt werden darf.

In der Schweiz gibt es keine noch offizielle Empfehlungen oder Stellungnahmen von Rechtsanwaltsverbänden oder Aufsichtsbehörden. Rechtsanwälte müssen somit selbst beurteilen, ob sie bei ihrer Nutzung der Cloud das Rechtsanwaltsgeheimnis gewährleisten (Art. 321 StGB und Art. 13 BGFA), ihren auftragsrechtlichen Pflichten nachkommen (Art. 398 OR) und das schweizerische Datenschutzrecht einhalten (unter anderem Art. 10a DSG) können. Sofern Mandanten Cloud-Dienste selbst nutzen, beispielsweise um Dokumente an ihren Rechtsanwalt zu senden, besteht ein implizites Einverständnis – so wie anerkanntermassen bei E-Mail. Zulässig ist ausserdem traditionelles Outsourcing wie beispielsweise für die Buchhaltung oder für Übersetzungen. Im gleichen Rahmen muss auch Outsourcing mittels Cloud-Computing zulässig sein.

Bei ausländischen Cloud-Anbietern ist unter anderem wegen datenschutzrechtlichen Hürden eine sorgfältige Beurteilung notwendig. Mandanten könnten vorgängig informiert und um ihr explizites Einverständnis gebeten werden. Bislang ist aber unklar, ob sich allein damit die gewünschte Rechtswirkung erzielen lässt. Ausländisches Cloud-Computing ist für Schweizer Rechtsanwälte deshalb ein regulatorisches Risiko.

Rechtsanwaltliche Cloud in der Schweiz

In der Schweiz gibt es keine eigentliche Rechtsanwaltssoftware in der Cloud. Einige juristische Cloud-Angebote sind aber beispielsweise bei Weblaw verfügbar. Daneben gibt es nicht anwaltsspezifische Angebote wie beispielsweise E-Fon (Telefonie), Run my Accounts (Buchhaltung) oder Small Invoice (Rechnungsstellung). Bei ausländischen Angeboten kann das regulatorische Risiko mit der vorgängigen Verschlüsselung sowie Anonymisierung von Daten – sofern sinnvoll möglich – ausgeschaltet werden.

Der Schweizerische Rechtsanwaltsverband plant eine eigene Cloud. Eine solche Lösung wird vermutlich nicht zielführend sein. Daten können nicht «im Gotthard gebunkert» werden, sondern müssen zur Nutzung fliessen. Funktionalität und Preis dürften im Vergleich zu etablierten ausländischen Anbietern unbefriedigend ausfallen. Mit Clio hat im Herbst 2013 andererseits ein erster grosser amerikanischer Anbieter eine europäische Niederlassung gegründet und damit auch einen ersten Schritt in Richtung der Schweiz unternommen.

Ausblick

Die Diskussion über Rechtsanwälte in der Cloud hat in der Schweiz gerade erst begonnen. Rechtsanwälte können sich der weiteren digitalen Revolution hin zu immer und überall nutzbarer IT nicht entziehen. Die wachsende nicht-anwaltliche Konkurrenz sowie international tätige Rechtsanwaltskanzleien bewegen sich längst mit grosser Selbstverständlichkeit in der Cloud. Schweizer Rechtsanwälte müssen die Cloud gleichberechtigt nutzen können. Ansonsten droht eine wirtschaftliche Marginalisierung in der engen Nische des Rechtsanwaltsmonopols.

Angst vor möglichen Risiken oder übermässige Regulierung dürfen nicht dazu führen, dass Schweizer Rechtsanwälte die Chancen in der Cloud verpassen. Cloud-Computing sollte deshalb nicht mit Misstrauen, sondern mit dem Ziel einer verantwortungsvollen und nicht diskriminierende Nutzung für Rechtsanwälte in der Schweiz begegnet werden.

Hinweis: Obiger Artikel erschien in gekürzter Form zuerst in Ausgabe 2014/01 der Zeitschrift «Plädoyer» vom 3. Februar 2014.

Bild: Flickr / «theaucitron», «Clouds», CC BY 2.0 (generisch)-Lizenz.

Ein Kommentar

  1. Meiner Meinung nach gehört der Cloud die Zukunft. Sie haben sehr treffend das Beispiel USA erwähnt. Dort kommen immer wieder neue Lösungen auf den Markt – unter anderem auch PracticePanther – und dementsprechend kompetitiv ist das Ganze, was wiederum permanente Verbesserungen an der Software und sehr guten Support nach sich zieht. Mittlerweile ist dort ein Arbeiten ohne Cloudzugriff, ohne Smartphone und Tablet, für viele kaum mehr vorstellbar.

    Viele Grüße
    Jan-Eric

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