Tote Forellen: «Blick»-Medienkritik mit Mafia-Methoden

Logo: «Blick» (Zeitung).

Am Freitag verurteilte das Bezirksgericht Zürich einen Fussballfan wegen Gehilfenschaft (Art. 25 StGB) zu Drohung (Art. 180 Abs. 1 StGB) zu einer bedingten Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu 30 Franken (Urteil GG130073 vom 8. November 2013). Der Fan des FC Zürich (FCZ) soll mehreren bislang unbekannten Tätern dabei geholfen haben, sich an Journalisten der Boulevardzeitung «Blick» für missliebige Berichterstattung über FCZ-Fans zu rächen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Hintergrund: «Blick»-Journalisten vs. Fussballfans

Im Herbst 2011 hatte der «Blick» kritisch und in medienrechtlich teilweise fragwürdiger Weise über militante FCZ-Fans geschrieben. «Blick»-Journalisten hatten gemäss Stellungnahme 2012/03 des Schweizerischen Presserates unter anderem die Privatsphäre eines Fans durch identifizierende Berichterstattung als «Petarden-Trottel» verletzt. Der Fan hatte bei einem Fussballspiel eine Petarde für eine Fackel gehalten, worauf diese in seiner Hand explodiert war und ihn schwer verletzt hatte.

Foto: «Sizilianische Botschaft»-Szene aus dem Film «Der Pate» (Tote Fische als Todesdrohung)

Ab dem 10. November 2011 wurden in Zürich und den Wohnorten von vier «Blick»-Journalisten ein Flyer mit der Frage «Wer kennt diese (Ruf)Mörder?» aufgehängt. Drei der Journalisten wurden steckbriefartig mit Fotos gezeigt, von zwei Journalisten waren die privaten Telefonnummern aufgeführt. Weitere Flyer verunglimpften die Journalisten teilweise als «stadtbekannte Kinderschänder und Vergewaltiger». Ausserdem wurden im Stil von Todesdrohungen der sizilianischen Mafia tote Forellen – berühmt-berüchtigt aus dem Film «Der Pate» – in den Briefkästen der Journalisten deponiert. Dazu kamen Belästigungen und Drohungen per Telefon und mittels SMS.

Der am Freitag verurteilte Fussballfan wurde durch die Polizei als mutmasslicher Täter ermittelt und sass im Januar 2012 für mehr als zwei Wochen in Untersuchungshaft, da er nicht geständig war. Auch vor Bezirksgericht machte der Fussballfan von seinem Aussageverweigerungsrecht (Art. 169 Abs. 1 StPO) Gebrauch.

Die Ermittlung als mutmasslicher Täter war erfolgt, weil sich der Vater eines der «Blick»-Journalisten das Kennzeichen eines verdächtigen Fahrzeuges notiert hatte. Dieses Kennzeichen konnte dem Vater des Beschuldigten zugeordnet werden. Ausserdem ergaben Standortdaten des Handys des Beschuldigten, dass sich dieser tatsächlich teilweise an den Wohnorten der «Blick»-Journalisten aufgehalten hatte.

Ein weiterer Fan war ebenfalls als mutmasslicher Täter verhaftet worden, erwies sich aber als Trittbrettfahrer. Er hatte die Telefonnummern auf dem erwähnten Flyer angerufen und die «Blick»-Journalisten bedroht. Da er geständig war, wurde er bereits mittels Strafbefehl und ohne Strafprozess vor Gericht direkt durch die Staatsanwaltschaft verurteilt. Angeblich konnte ihn die Polizei ermitteln, weil er bei seinen Drohanrufen die eigene Rufnummer nicht unterdrückt hatte. Allerdings funktioniert Rufnummernunterdrückung gegenüber der Polizei sowieso nicht.

Gerichtsverhandlung: Keine Beweise, aber Indizien

Der Einzelrichter am Bezirksgericht Zürich sah es als erwiesen an, dass der Beschuldigte anderen FCZ-Fans das Fahrzeug seines Vaters zur Verfügung gestellt hatte, so dass diese – bislang unbekannten – Täter das Fahrzeug für ihren Rachefeldzug gegen die «Blick»-Journalisten verwenden konnten. Es gebe zwar keine Beweise wie beispielsweise DNS-Spuren, sondern nur Indizien, aber er habe keine Zweifel – so der Einzelrichter –, dass der Beschuldigte «etwas mit der Geschichte zu tun» habe.

Allerdings blieb die Verurteilung auf Gehilfenschaft zu Drohung und eine bedingte Geldstrafe beschränkt, da eine Täterschaft nicht erwiesen war. Die Staatsanwaltschaft hatte eine bedingte Freiheitsstrafe von zehn Monaten wegen mehrfacher Drohung, Sachbeschädigung (Art. 144 StGB) und übler Nachrede (Art. 173 StGB) gefordert.

Der Rechtsanwalt des Beschuldigten wird das Urteil voraussichtlich durch das Obergericht des Kantons Zürich überprüfen lassen (Berufung nach Art. 398 ff. StPO).

Fazit: Keine Medienkritik durch Selbstjustiz

Der Einzelrichter am Bezirksgericht Zürich liess am Freitag abschliessend verlauten, dass «tote Fische im Briefkasten keine adäquate Reaktion auf guten oder schlechten Journalismus sind». Diese Feststellung ist – bei allem Verständnis für den Ärger über journalistische Fehlleistungen wie die identifizierende Berichterstattung über den «Petarden-Trottel» – ohne Zweifel richtig. Wer Journalisten wegen rechtlich einschlägigen Fehlleistungen belangen möchte – beispielsweise wegen der Verletzung von Persönlichkeitsrechten –, kann den Rechtsweg beschreiten und muss nicht zu strafbarer Selbstjustiz greifen.

(Via Neue Zürcher Zeitung [NZZ] und Tages-Anzeiger.)

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