Nutzungsbedingungen mit Spuren von Slobodan Milošević

Screenshot: Ausschnitt aus den Nutzungsbedingungen der myENIGMA-App

myENIMGA ist eine schweizerische Smartphone-App, die sicheres Instant Messaging durch entsprechende Verschlüsselung verspricht. myENIGMA-Anbieterin Qnective AG ermöglicht keine unabhängige Überprüfung dieses Versprechens, so dass man sich nicht darauf verlassen sollte – ähnlich wie bei der historischen Enigma.

In den sehr umfangreichen englischsprachigen Nutzungsbedingungen (Terms of Service auf der Website, End-User License Agreement in der App) von myENIMGA findet sich in Ziff. 3 Buchst. f Unterziff. iii unter anderem folgende Verpflichtung für den Nutzer:

«You understand that the export of this Service to certain countries is prohibited by Swiss law and you represent that […] you will not transmit any component of the Service, including myENIGMA Application to Milosevic Slobodan, Gajic-Milosevic Milica, Markovic Mirjana, Milosevic Marija, Milosevic Marko, Milutinovic Milan, Ojdanic Dragoljub, Sainovic Nikola, Stojilkovic Vljako, Mrksic Mile, Radic Miroslav, Sljivncanin Veselin, Milosevic Borislav, or to people mentioned by the UN Security Council in connection with the assassination of Rafik Hariri […].»

Via Twitter wurde ich gefragt, wieso diese Namen – unter anderem der verstorbene (!) frühere serbische Politiker und mutmassliche Kriegsverbrecher Slobodan Milošević – in den Nutzungsbedingungen aufgeführt werden.

Rechtlicher Hintergrund sind vermutlich Sanktionsmassnahmen der Schweiz, die sich auch gegen einzelne Personen richten können:

Slobodan Milošević

Die Schweiz hat aufgrund entsprechender Sanktionsmassnahmen der Europäischen Union (EU) unter anderem die Verordnung über Massnahmen gegenüber bestimmten Personen aus der ehemaligen Bundesrepublik Jugoslawien erlassen, deren Anhang 2 (PDF) auch Milošević erwähnt. Demnach darf man Milošević – tot oder lebendig! – keine finanziellen Vermögenswerte direkt oder indirekt zur Verfügung stellen. Inwiefern allerdings myENIGMA als App von diesen Sanktionsmassnahmen betroffen ist und wieso überhaupt Sanktionsmassnahmen gegen eine verstorbene Person aufrecht erhalten werden, erschliesst sich mir nicht.

Rafic Hariri

Die Verordnung über Massnahmen gegenüber bestimmten Personen in Zusammenhang mit dem Attentat auf Rafik Hariri (Rafiq al-Hariri) hingegen dürfte auf myENIGMA als App anwendbar sein. Die Verordnung verbietet unter anderem, den erwähnten «bestimmten Personen» wirtschaftliche Ressourcen direkt oder indirekt zur Verfügung zu stellen, wozu auch immatierlle Vermögenswerte wie Software zählen.

Erwähnung in den Nutzungsbedingungen?

Schweizerische Sanktionsmassnahmen, die allenfalls auch eine App betreffen, sind zwingendes Recht. Sie gelten deshalb für App-Anbieter und Nutzer in der Schweiz unabhängig von der Erwähnung in den Nutzungsbedingungen. Eine solche Erwähnung ist demnach rein deklaratorisch und rechtlich gesehen nicht notwendig.

Für eine schweizerische App sind Nutzungsbedingungen, die Sanktionsmassnahmen erwähnen, ungewöhnlich. Ich gehe deshalb mit @ManuCH einig, der die Nutzungsbedingungen von myENIGMA als «sehr ‹amerikanisch geschrieben›» bezeichnet hat.

Threema beispielsweise – eine weitere schweizerische Smartphone-App, die sicheres Instant Messaging durch entsprechende Verschlüsselung verspricht ohne eine unabhängige Überprüfung zu ermöglichen – sah bislang keine Notwendigkeit, auf schweizerische Sanktionsmassnahmen hinzuweisen.

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