Verschärftes Urheberrecht: Forderungen aus dem Glashaus

Politiker und andere Personen, die sich als Befürworter eines verschärften Urheberrechts profilieren, kommen selbst immer wieder mit dem Urheberrecht in Konflikt.

Das «Netend»-Wiki sammelt solche Urheberrechtsverstösse für deutsche Politiker und Befürworter des umstrittenen Anti-Counterfeiting Trade Agreement (ACTA). Beispiele sind Ansgar Heveling und Siegfried Kauder (jeweils CDU), Hans-Peter Friedrich (CSU) und Sebastian Edathy (SPD). Mehr dazu im aktuellen TELEPOLIS-Artikel «Immaterialgüterrechtsverstöße von Internetkontrollextremisten», aus dem auch folgendes treffendes Zitat stammt:

«Das deutsche Immaterialgüterrecht ist so veraltet, dass eigentlich nur totale Technikverweigerer unter Schweigegelübde nicht mit ihm in Konflikt kommen können. […]»

Für die Schweiz gibt es noch kein solches Wiki, aber Norbert Neininger würde darin ohne Zweifel erwähnt werden:

Neininger ist Chefredaktor und Verleger in Schaffhausen sowie Präsidiumsmitglied im Verband Schweizer Presse (VSP). In diesen Funktionen verbreitet er unter anderem die Legende vom Internet als rechtsfreiem Raum und fordert insbesondere ein so genanntes Leistungsschutzrecht für Verlage. Mit einem solchen Leistungsrecht würde das Urheberrecht weiter verschärft und selbst für Zitate aus Inhalten, die Verlage veröffentlicht haben, müsste eine Entschädigung bezahlt werden.

In diesem Zusammenhang müsste Neininger eigentlich peinlich sein, dass er sich kürzlich selbst bei einer dreisten Urheberrechtsverletzung erwischen liess, denn seine «Schaffhauser Nachrichten» hatten ohne die notwendige Genehmigung einen Text von Monika Bütler, Professorin an der Universität St.Gallen (HSG), abgedruckt:

«[…] Des Rätsels Lösung: In der Ausgabe vom 26. Januar 2012 druckten die Schaffhauser Nachrichten – ohne mein Wissen, geschweige denn Einverständnis – einen Beitrag ab, der im Juni 2011 im www.batz.ch erschienen ist.

Es wäre so einfach gewesen, zu fragen. Und vor allem anständig. Doch die Schaffhauser Nachrichten informierte mich auch später nicht. […]»

Der Abdruck war kein bedauerlicher Fehler, sondern Neininger behauptete auf Nachfrage hin unverfroren, er habe den Text abdrucken dürfen. Er begründete diese Behauptung unter anderem mit dem rechtlich absurden Argument, der urheberrechtliche Schutz hänge vom jeweiligen Geschäftsmodell:

«[…] Es geht hier aber nicht um eine Verletzung des Urheberrechts – der Blog ist frei zugänglich und seine Beiträge sollen offensichtlich die öffentliche Debatte bereichern. Das Geschäftsmodell der Zeitung hingegen beruht auf völlig anderen Grundlage – die Inhalte sind eben nicht frei zugänglich.»

Im satirischen Weblog «Lupe» wurde dieser Fall umfassend dokumentiert. Bei «Lupe» noch nicht zu finden ist die jüngste Reaktion Neiningers, der sich als Opfer sieht, nachdem sein Verhalten gegenüber Professorin Bütler auf breite Kritik stiess – diese letzte Wendung hat die «Medienwoche» treffend unter dem Titel «Der Täter als Opfer und Moralapostel» dargestellt.

Bild: Flickr / Kai Schreiber, «Glashaus», CC BY-SA 2.0-Lizenz.

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