Schweizer Bundestrojaner auf deutschen Umwegen

Vor einigen Tagen veröffentlichte der deutsche Chaos Computer Club (CCC) seine Bundestrojaner-Analyse. In der Folge wurde erstmals offiziell bekannt, dass auch Strafverfolgungsbehörden in der Schweiz Schadsoftware (Malware) zu Überwachungszwecken einsetzen – obwohl die Verwendung solcher Staatstrojaner politisch höchst umstritten ist und gar keine Rechtsgrundlage für die Trojaner-Verwendung besteht. Eine solche schweizerische Rechtsgrundlage halten die Strafverfolgungsbehörden offensichtlich aber gar nicht für notwendig, wie Recherchen der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) zeigen (mit Hervorhebung durch den Autor):

«Die Digitask GmbH in Hessen hat vom Januar bis im April 2008 im Auftrag der Bundesanwaltschaft und der Bundeskriminalpolizei gearbeitet. […] Digitask [stellte] ein Mietgerät mit Spezialsoftware zur Verfügung. Dafür stellte die Gesellschaft 26’000 Euro in Rechnung. Aus den Verfahrensakten […] sei diese Rechnung mitsamt den Angaben zum Mietgerät entfernt worden, sagt […] Anwalt Marcel Bosonnet. Die Dokumente seien in einem verschlossenen Kuvert mit dem Hinweis «darf nur vom Richter geöffnet werden» im Tresor der Bundesanwaltschaft deponiert worden. […] Die Bundesanwaltschaft habe sich bei einer früheren Anfrage zur Rechtmässigkeit der Methode auf den Standpunkt gestellt, dass nicht die gesetzlichen Grundlagen in der Schweiz massgebend seien […]. Gemäss Bosonnets Darstellung haben die Ermittler in ihrem Rechtshilfegesuch an die zuständigen deutschen Behörden argumentiert, dass es in diesem Fall die in der Schweiz verlangte Bewilligung nicht brauche, weil die Software vom Ausland aus eingesetzt werde.»

Die Strafverfolgungsbehörden auf Bundesebene fühlen sich demnach nicht an die schweizerische Rechtsordnung gebunden und bewegen sich damit ohne Zweifel ausserhalb des Legalitätsprinzips.

Bundestrojaner im Kanton Zürich

Gemäss NZZ liessen sich auch im Kanton Zürich in mindestens zwei Fällen weder Strafverfolgungsbehörden noch Richter («Richtervorbehalt») von der fehlenden Rechtsgrundlage zur Trojaner-Verwendung abhalten:

«Die Überwachungssoftware gelangte zudem auch auf Kantonsebene zum Einsatz. Mindestens in einem Fall wurde ein Trojaner im Kanton Zürich verwendet, wie Martin Bürgisser von der Oberstaatsanwaltschaft sagt. […] Die technischen Massnahmen zur Überwachung wurden damals durch die Anklagekammer des Zürcher Obergerichts genehmigt, wie Marcel Strebel, der Informationschef der Kantonspolizei, erklärt. Bis Ende 2010 bewilligte das Obergericht den Einsatz der Überwachungssoftware, seit Anfang dieses Jahres ist das Zwangsmassnahmengericht dafür verantwortlich.

Wie eine gut informierte Quelle gegenüber der NZZ sagte, kam die Überwachungssoftware im Kanton Zürich seit 2006 jedoch noch in einem weiteren Fall zum Einsatz, und zwar zur Überwachung von Gesprächen via die Telefonsoftware Skype. Dazu wurde die Software direkt auf den Computer der Zielperson installiert. […] Bürgisser konnte diesen zweiten Fall nicht bestätigen. Er mochte aber auch nicht ausschliessen, dass die Software in weiteren Fällen Verwendung fand. In einer Handvoll Fälle habe die Staatsanwaltschaft einen Einsatz geprüft, dann jedoch davon abgesehen.»

Grundrechtskonformer Bundestrojaner in der Schweiz?

In der Bundestrojaner-Diskussion in der Schweiz steht momentan vor allem die Frage der fehlenden (fälschlicherweise teilweise als «umstritten» bezeichneten) Rechtsgrundlage im Vordergrund. An erster Stelle sollte aber diskutiert werden, ob eine Bundestrojaner-Verwendung in der Schweiz überhaupt mit der damit verbundenen gravierenden Einschränkung von Grundrechten vereinbar ist. Anwaltskollege Konrad Jeker lesenswert in diesem Zusammenhang:

«In der öffentlichen Diskussion wird immer wieder behauptet, es sei umstritten, ob Art. 66 BStP bzw. seit 01.01.2011 Art. 280 StPO als hinreichende gesetzliche Grundlage für den Einsatz von Trojanern gelten kann. Verfassungsrechtlich müsste aber doch bereits aufgrund von Art. 36 Abs. 1 BV unstrittig sein, dass die zitierten Normen die Anforderungen an die Normdichte für eine derart schwerwiegende Beschränkung verschiedener Grundrechte (etwa Art. 10, 13 oder Art. 16 BV) nicht einmal annähernd erfüllen können.

Nun, der Misstand soll ja nun korrigiert werden. Wie bereits früher prognostiziert, wird er natürlich nicht korrigiert, indem der Einsatz von Trojanern verboten wird, sondern indem eine hinreichende gesetzliche Grundlage geschaffen wird.»

Bild: Wikimedia Commons/«mellowbox», CC BY-SA 2.0 (USA)-Lizenz.

3 Kommentare

  1. Als würde es nicht genügen, dass ich mich als Deutscher bei meinen Schweizer Freunden schon für den wildgewordenen Steinbrück entschuldigen wollte/musste.

    Der Einsatz der Schnüffelsoftware in Deutschland allein ist eigentlich schon Skandal genug, doch die "grenzüberschreitende Amtshilfe" schlägt dem Fass den Boden aus. Wenn deutsche Politiker schon versuchen, die causa kleinzureden, auszusitzen und umzudeuten, dann sorgt bitte wenigstens Ihr Eidgenossen dafür, dass das Konsequenzen hat!

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